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Schadensersatz wegen Verletzung der Pflicht zur rechtzeitigen Anzeige von Mängeln der Mietsache: Wer hat die Beweislast?

ASLOGOBGH, Urteil vom 5. Dezember 2012, Az. VIII ZR 74/12; vgl. auch NJW 2013, 1299

Sachverhalt: Die Beklagten sind seit 2007 Mieter einer im Jahr 2005 errichteten Wohnung der Kläger. Die vereinbarte Nettomiete beläuft sich auf 625 € monatlich. In der Mietwohnung traten Risse an den Bodenfliesen auf. Dies rügten die Beklagten mit Schreiben vom 9. Juni 2012 und vom 15. September 2012. Die Verjährung von Mängelansprüchen der Kläger gegen den Bauunternehmer trat im Laufe des Jahres 2010 ein.
  Zwischen den Parteien besteht Streit darüber, ob die Beklagten die Fliesenrisse schon zu einem früheren Zeitpunkt beanstandet hatten. Die Beklagten behaupten, im Oktober 2009 hätten der Zeuge H. und die Beklagte zu 1 den Kläger zu 2 auf die Mängel angesprochen. Dieser habe die in der Wohnung der Beklagten aufgetretenen Risse dann erstmals in der zweiten Oktoberhälfte 2009 in Augenschein genommen.
  Ab Oktober 2012 minderten die Beklagten die Kaltmiete um 125 € monatlich (= 20 %) und leiteten ein selbständiges Beweisverfahren ein. Das dort erhobene Sachverständigengutachten bestätigte das Vorhandensein von Fliesenrissen und führte deren Auftreten auf einen mangelhaften Einbau des Fliesenbelags zurück.

Die Kläger nehmen die Beklagten auf Zahlung der einbehaltenen Minderungsbeträge in Anspruch. Mit Recht?

Es ist davon auszugehen, dass eine Minderung in ihrem Umfang (20 %) jedenfalls angemessen wäre. Wegen beschränkten Erinnerungsvermögens des Zeugen H. konnte in der Beweisaufnahme nicht geklärt werden, ob die von den Beklagten behauptete Mängelanzeige vom Oktober 2009 wirklich stattgefunden hatte.

Sounds
1. Ein Mieter ist nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) daran gehindert, sich auf eine eingetretene Mietminderung zu berufen, wenn und soweit dem Vermieter ein – quasi gegenläufiger – Schadensersatzanspruch gemäß § 536c II 1 BGB wegen Verletzung der den Mieter treffenden Pflicht zur (rechtzeitigen) Anzeige von Mängeln der Mietsache (§ 536c I BGB) zusteht.

2. Im Rahmen eines Schadensersatzanspruches nach § 536c II 1 BGB trägt der Vermieter die Darlegungs- und Beweislast für die Verletzung der den Mieter treffenden Anzeigepflicht.

Lösung 
Die bauseitigen Mängel an den Fußbodenfliesen stellen einen Sachmangel der vermieteten Wohnung dar und rechtfertigen grds. eine Minderung in Höhe der einbehaltenen Beträge (§ 536 I BGB). 
  Die Mietminderung ist auch nicht im Hinblick auf § 536c II 2 Nr. 1 BGB ausgeschlossen, denn die Beklagten haben die aufgetretenen Fliesenrisse unstreitig spätestens mit Schreiben vom 9. Juni 2012 und vom 15. September 2012 und damit vor Geltendmachung der Minderung angezeigt. Da diese Regelung nämlich Kausalität fordert („infolge“), entfällt ihre Wirkung auch bei Verspätung der Mängelanzeige mit der Nachholung zumindest für die Zeit danach.
  Problematisch ist aber, ob den Beklagten die Berufung auf die eingetretene Mietminderung wegen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens (§ 242 BGB) verwehrt ist.

1. Begründungsansatz der (möglichen) Treuwidrigkeit

Ein Mieter ist nach der Rechtsprechung im Hinblick auf das Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB) daran gehindert, sich auf eine eingetretene Mietminderung zu berufen, wenn und soweit dem Vermieter ein – quasi gegenläufiger – Schadensersatzanspruch gemäß § 536c II 1 BGB wegen Verletzung der den Mieter treffenden Pflicht zur (rechtzeitigen) Anzeige von Mängeln der Mietsache (§ 536c I BGB) zusteht.
  In diesem Fall kann sich ein Mieter auf eine kraft Gesetzes eingetretene Mietminderung nicht berufen, weil es – nach einem allgemein gebilligten Rechtsgrundsatz – einen Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) darstellt, wenn ein Gläubiger etwas fordert, was er sofort wieder zurück zu gewähren hat.

2. Prüfung des Schadensersatzanspruchs gemäß § 536c II 1 BGB

Eine solcher Schadensersatzanspruch gemäß § 536c II 1 BGB ist im Fall dann gegeben, wenn man die Behauptungen der Vermieterseite zugrunde legen müsste: Der Mieter hätte dann die Anzeigepflicht des § 536c I 1 1. Alt. BGB verletzt. Hätte er diese nicht verletzt, wäre die Mängelbeseitigung für den Vermieter wegen §§ 635, 634 Nr. 1 BGB oder § 637 I BGB im Ergebnis kostenfrei gewesen, wohingegen er nun infolge der eingetretenen Verjährung der werkvertraglichen Gewährleistungsrechte (§ 634a BGB) Aufwendungen hat. Diese Kosten stellen daher den kausalen Schaden dar. Überdies stellt der Minderungsbetrag selbst einen kausalen Schaden dar, weil man davon ausgehen kann, dass bei rechtzeitiger Anzeige die Nachbesserung längst durchgeführt worden wäre, so dass der Mietmangel jetzt also gar nicht mehr existieren würde.
  Problematisch ist aber, ob tatsächlich davon ausgegangen werden kann, dass die Beklagten die Anzeigepflicht verletzt haben.
  Da die Behauptung der Beklagten, diese hätten die aufgetretenen Mängel bereits im Jahr 2009 – also rechtzeitig vor Ablauf der werkvertraglichen Gewährleistungsfrist – angezeigt, umstritten ist, kommt es darauf an, ob der Mieter oder der Vermieter die Beweislast bezüglich einer (rechtzeitigen) Mängelanzeige trägt.

a. Beweislast für die Erfüllung oder Verletzung der in § 536c I BGB auferlegten Anzeigepflicht

Welche Partei die Erfüllung oder Verletzung der in § 536c I BGB dem Mieter auferlegten Anzeigepflicht zu beweisen hat, ist umstritten.
  Die bisher wohl h.M. vertritt, dass der Mieter auch beim Schadensersatzanspruch nach § 536c II 1 BGB die Beweislast für die Erfüllung seiner Anzeigepflicht trage. Soweit für diese Rechtsansicht eine Begründung gegeben wird, wird sie entweder auf die Erwägung, es gälten dieselben Grundsätze wie beim Zugang von Willenserklärungen oder darauf gestützt, der Mieter habe als Schuldner der Anzeigepflicht deren Erfüllung darzulegen und zu beweisen.
  Nach Ansicht des VIII. Zivilsenats des BGH trägt der Vermieter im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs nach § 536c II Satz 1 BGB die Darlegungs- und Beweislast für die Verletzung der Anzeigepflicht nach § 536c I BGB.


Hinweis: Dabei ließ der BGH ausdrücklich offen, welcher Partei im Rahmen des Ausschlusstatbestands des § 536c II Satz 2 BGB die Beweislast für die (Nicht-)Erfüllung der Anzeigepflicht aufzuerlegen ist.


Begründung: Nach der allgemein anerkannten Grundregel der Beweislastverteilung hat der Anspruchsteller auf der ersten Ebene die rechtsbegründenden Tatsachen und der Anspruchsgegner auf einer zweiten Ebene die rechtsvernichtenden, rechtshindernden oder rechtshemmenden Tatsachen darzulegen und zu beweisen. Wer Ersatz eines auf eine Pflichtverletzung des Vertragspartners zurückgeführten Schadens verlangt, hat demnach darzutun und nachzuweisen, dass der andere Vertragsteil eine ihn treffende Pflicht verletzt und hierdurch einen kausalen Schaden verursacht hat.
  Dies gilt auch dann, wenn negative Umstände anspruchsbegründend sind, also – wie etwa die Fälle der Verletzung einer Aufklärungspflicht des Verkäufers oder der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht zeigen – auch dann, wenn die Pflichtverletzung in einem Unterlassen besteht.
  Im Rahmen des § 536c II 1 BGB ist keine andere Sichtweise geboten. Insbesondere kann die Erfüllung der Anzeigepflicht nicht zu den rechtsausschließenden Tatsachen gezählt werden. Dies wäre eine systemwidrige Einordnung: Das Entstehen des Mangels und die Kenntnis des Mieters hiervon lösen nämlich allein noch keinen Schadensersatzanspruch des Vermieters, sondern nur die Anzeigepflicht des Mieters (§ 536c I BGB) aus, deren Verletzung dann zu den anspruchsbegründenden Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs nach § 536c II 1 BGB zählt.
  Die im Rahmen des Zugangs gemäß § 130 BGB gültige Beweislast des Erklärenden kann nicht übertragen werden, weil es beim vorliegenden Problem nicht um die Wirksamkeit einer Willenserklärung oder einer geschäftsähnlichen Handlung geht, sondern um einen Schadensersatzanspruch des Vermieters, der durch die Verletzung der Anzeigepflicht des Mieters ausgelöst wird.

b. Besonderheit wegen Beweisbedürftigkeit einer negativen Tatsache

Da die Beweislast für die Verletzung der Anzeigepflicht (§ 536c I BGB), also einer negativen Tatsache, beim Vermieter liegt, trifft den Mieter nach allgemeinen Grundsätzen eine sekundäre Darlegungslast, um dem Vermieter die Beweisführung nicht unnötig zu erschweren.
  Dies bedeutet, dass der Vermieter nur solche Mängelanzeigen ausräumen muss, die vom Mieter in zeitlicher, inhaltlicher Weise und räumlicher Hinsicht spezifiziert worden sind. Unsubstanziierte Behauptungen zur Erfüllung der Anzeigepflicht braucht der Vermieter dagegen nicht zu widerlegen.
  Dieser sekundären Darlegungslast haben die Beklagten hinsichtlich der behaupteten Mängelanzeige aber genügt. Sie haben behauptet, im Oktober 2009 hätten sich sowohl in der Wohnung der Beklagten als auch in der Wohnung des Zeugen H. Risse im Fliesenbodenbelag gezeigt. Daraufhin hätten der Zeuge H. und die Beklagte zu 1 den Kläger zu 2 auf die Mängel angesprochen. Dieser habe die in der Wohnung der Beklagten aufgetretenen Risse dann erstmals in der zweiten Oktoberhälfte 2009 in Augenschein genommen. Damit sind die Zeitpunkte, zu denen im Jahr 2009 Mängelrügen erfolgt sein sollen (Gespräch; Augenscheinstermin), ausreichend konkretisiert worden. Auch die Angaben zum Ort des Geschehens sind ausreichend.
  Den sonach von den Klägern zu führenden Beweis einer verspäteten Anzeige der aufgetretenen Fliesenrisse haben diese nicht erbracht.

Ergebnis

Ein Schadensersatzanspruch der Kläger nach § 536c II 1 BGB scheitert daran, dass sie den Beklagten keine Verletzung der Anzeigepflicht nachweisen konnten. Folglich ist die Minderung durch die Beklagten auch nicht gemäß § 242 BGB ausgeschlossen. Die Klage der Vermieter ist abzuweisen.